Pierre Rappazzo hat geschrieben:Eigentlich wollte ich gestern in der NZZ ja den Artikel über die Ordoliberalen lesen, ich las ihn auch, der war aber so unleserlich geschrieben, dass meine Blicke abschweiften. Ich traute meinen Augen nicht, ein Atomlobby Apparatschik (FDP Grossrat und Präsident des Energieforums Nordwestschweiz) plädiert für neue Atomkraftwerke, er behautete Atomstrom sei mit 4-5 Rp. über Jahrzehnte die günstigste Variante! Warum bauen wir keine Riesenkraftwerke (Sonnenkraftwerke) in den Wüsten Afrikas, anstatt Alibi-Entwicklungshilfe zu betreiben, wäre das ein echtes Wirtschaftsprojekt. Dieser Strom wäre günstiger als Atomstrom! Mit diesem Strom könnte in der Schweiz Wasserstoff und andere Energiereserven gewonnen werden und die Schweiz könnte als Pionier einen Testmarkt aufbauen Wasserstoff betrieben Fahrzeuge, Wärmepumpen usw. Das gäbe Wirtschaftswachstum! Unter Duttweiler hätte die Migros zu einem solchen Projekt Hand geboten, unter SORGIM wird die Migros wieder solche Projekte mit tragen! Quelle NZZ 25.8.2005
Das Geschwätz über eine Zukunft mit Wasserstoff und biogenen Treibstoffen
Reden wir doch eimal von deren Mengen und dem Woher
Warum wird so wenig von der Herkunft des Wasserstoffes und des Biodiesel geschrieben und soviel von deren Anwendungstechnik? Und warum werden die Mengen, die für einen Umstieg in das Wasserstoffzeitalter nötig sind, nirgends einigermassen definiert, bzw. quantifiziert? Wird hier nicht ein gefährliches Sicherheitgefühl geweckt, die heutige Verschwendermentalität beizubehalten, da die nahestehende hochgepriesene Wasserstofftechnologie und der Biodiesel in Kürze ohnehin die Rettung aus dem globalen Klimadilemma bzw. der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter bedeuten soll?
Breite Technologiepalette
Die Heizungs und Autoproduzenten stecken in intensiven Forschungen und Entwicklungen, Brennstoffzellengetriebene Heizungen und Vehikel auf den Markt zu bringen. Sie outen sich entsprechend in den Medien und betreiben damit eine starke Imagewerbung. Hinter vorgehaltener Hand macht man nur vage Andeutungen, woher dann die unvorstellbaren Mengen an Wasserstoff herkommen sollen. Von der Sonne über den Wüsten phantasieren so manche vor sich hin. Mit Unterstützung des Bundes werden Systeme entwickelt und marktreif getrimmt, die der Brennstoffzelle eine grosse Zukunft versprechen für das postfossile Zeitalter. Für den Rapsanbau als biologische Grundsubstanz des Biodiesel machen sich ebenfalls vor allem in Deutschland - entsprechende Lobbys stark.
Wasserstoffproduktion
Reiner Wasserstoff ist in der freien Natur in nutzbaren nötigen Mengen, wie etwa das Erdöl und Erdgas nicht vorhanden. Er muss hergestellt werden. Schon der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sagt uns, dass das "Perpetuum mobile" Illusion bleiben wird. Das heisst, dass der Wasserstoff, gleich auf welche Art dieser produziert wird, nur mit einem höheren Einsatz an Primärenergie zu gewinnen ist, als er im Nachhinein hergibt. Es wäre das Pferd am Schwanze aufgezäumt, wollte man die erforderliche Elektroenergie für eine signifikante Brennstoff-Trendwende hin zur Wasserstofftechnik mittels Kern- oder fossiler Energie gewinnen, denn diese sollten ja gerade durch den Wasserstoff ersetzt werden. Diese Energiearten sind demnach à priori für die Wasserstoffgewinnung auszuschliessen. Was bleibt, sind erneuerbare Energien. Hier wird an vorderster Front explizit auf den photovoltaisch erzeugten Solarstrom, vorab in den Wüstengegenden hingewiesen.
Verhältnismässigkeit absurd
Betrachtet man als Beispiel ein Projekt des deutschen Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT), das in Neunburg vorm Wald steht. 3'000 m2 Solarzellenfläche weisen als Spitzenleistung von gerade mal 278 kW auf. Bei einer durchschnittlichen optimalen Sonnenscheindauer von 1'700 Stunden im Jahr ergibt diese Anlage eine Gesamternergieausbeute von max. 470 MWh (die Energiemenge einer kappen halben Stunde vom AKW Gösgen) oder umgerechnet ca. 50'000 Liter Benzin. Damit könnten bestenfalls, bei einem 50%igen Wirkungsgrad, einer jährlichen Kilometerzahl von 12'500 Km und einem Verbrauch von 8 Liter auf hundert Kilometer fünfundzwanzig Autos betrieben werden. Unter Zugrundelegung einer Verdoppelung der Sonnenscheindauer (beispielsweise in der Wüste) würden gerade mal 50 Autos betrieben werden können.
Gigantomanie pur nicht realisierbar
Bleiben wir bei diesen Zahlen und ermitteln die Solarzellenfläche für drei Millionen Fahrzeuge, was dem ungefähren Schweizerbestand entspricht. Hierfür würde ein Solarzellenfläche von ca. 200'000'000 m2 oder mit 200 km2 nötig sein. Damit wäre aber nur der heutige schweizerische Personen-Wagenpark versorgt. Der Schwerverkehr, die Industrie, das Gewerbe und die Haushalte (Heizungen und Warmwasser) sind hier noch nicht berücksichtigt. Man müsste diese Zahl, eingeschlossen alle weiteren Verluste, etwa um den Faktor Fünf vervielfachen. Solche Investitionen gingen in die dreistelligen Milliarden von Franken nur für die kleine Schweiz. Nach Joachim Bublath, Wissenschaftsmoderator beim ZDF, müssten für die Versorgung von Deutschland 13'000 km2 Solarzellen installiert werden, was einem Viertel der Fläche der Schweiz entsprechen würde. Investitionen: Dreistellige Billionen von Euros. Verletzlichkeiten jeglicher Art, Störanfälligkeite und erst die verschärften Abhängigkeiten solcher gigantischer Versorgungen wären kaum in den Griff zu kriegen. Ausserdem und das muss auch in Betracht gezogen werden, müssten die ersten 10 Jahre für die Deckung der grauen Energien für die Solarfelder samt Produktionsanlagen und Verteilinfrastruktur aufgewendet werden. Das bei einer noch absolut unbekannten Lebensdauer in Wüstenverhältnissen - jedoch nicht über 20 bis 25 Jahren
Biologische Wasserstoffgewinnung?
Es wird auch die Alternative diskutiert, Wasserstoff mittels Blaualgenzucht zu Produzieren. Auch hier zeigen sich noch keine erkennbare brauchbare Ergebnisse. Da diese biologische Wasserstoffproduktion auch mit der aus der Natur bekannten biologischen Langsamkeit regieren würde, würde das in sich hermetisch geschlossene und exakt geregelte, klimatisierte Kulturflächen gigantischer Ausmasse bedingen, die schlicht alle Vorstellungen sprengen und einen Grossteil ihres produzierten Wasserstoff als Betriebsenergie aufbrauchen würden. Von geeigneten Vorstellungen für die praktische Anwendung fehlen noch jegliche Vorstellungen.
Biodiesel - eine Alternative?
In der Schweiz aber auch vor allem Deutschland wir zur Zeit nebst Wasserstoff auch grossen Wert auf den sogenannten Biodiesel gelegt. Eine Studie beeindruckt hier mit zwei Zahlen. Würde man auf der gesamte freien Agrarfläche Deutschlands Raps anpflanzen, würde das gerade 5 Prozent des heutigen deutschen Konsums an fossiler Energie substituieren. Für eine Komplett-Substitution des deutschen fossilen Energiemarktes müssten auf 70 Prozent der gesamten deutschen Agrarfläche Raps angepflanzt werden. Solche gigantischen Monokulturen, welcher Grösse auch würden zu ökologischen Problemen führen, die heute weder überblick- noch wünschbar wären.
Kein Weg führt an der Energie-Diversifikation vorbei.
Daraus wird ersichtlich, dass eine zukunftsfähige Energiepolitik in erster Linie in der Förderung des Energiesparen und der Energieeffizienz, vor allem auch im Einsatz eines breiten Mix von nachhaltigen Energieträgern aus dezentralen Produktionsstätten liegt. Jede Region hat ihre spezifischen lokalen Angebote, die es unter ökologischen und nachaltigen Gesichtspunkten zu nutzen gilt. Ein Wasserstoff- und Raps-Zeitalter ist schlicht kaum erfüllbare Zukunftsvision und wenn, dann lediglich mit marginalem Substitutionseffekt. Sie sind nichts weniger und nichts mehr als blosse Kosmetik in der aktuellen Energielandschaft.
Zu was eine Verknappung der Vorkommen oder Fördermengen führt, wurde uns gerade mit den Preissteigerungen am Erdölmarkt und den daraus folgenden Unruhen an der Politik- und Wirtschaftsfront vergleichsweise in einem moderaten Ausmass vor Augen geführt. Wasserstoff ist trotz beinahe täglichen euphorischen Presseartikeln weit und breit nicht in Sicht. In Sicht und reif sind alternative und nachhaltige Energieträger, die gerade durch die aktuelle Verteuerung von Heizöl wieder an Interesse gewinnen. Hier vor allem die aktive und passive dezentrale Sonnenenergienutzung, die Erdwärme, die Holzenergie, die Windenergie, die Effizienzsteigerung und Wärmerückgewinnung, die neuen Isolationstechniken und Materialien und, last, not least, die Wasserkraft. Grosse Zukunftsaussichten hat auch die Erdwärme aus tieferen Schichten, wo Temperaturen über 200°C herrschen. Hier liegt auch ein grosses Potential, Strom und Wärme zu gewinnen.
leon
PS. Gleichzeitig habe ich mit diesen Zeilen auch den Solastrom arg relativiert.