Lieber Pierre Rapazzo,
ich finde die SORGIM-Idee super, ebenso die Idee eines Buches, an dem alle mitschreiben können. In der Fassung wie es jetzt vorliegt bin ich allerdings etwas enttäuscht. Gut finde ich nur den Teil über die digitale Demokratie und die SORGIM-Zielsetzung. Die Thesen, auf denen Sie ihre Argumente aufbauen, sind sehr allgemein gehalten und wenig fundiert, auch dort nicht wo es wissenschaftliche Literatur dazu gibt. Ich weiss auch nicht, ob man mit einem so polemischen Stil wirklich ernst genommen wird.
Hier mal ein paar Kommentare zur Einleitung:
- auf S. 5 sollte unbedingt ein Beispiel für ein ?natürliches Monopol? rein: die Wasserversorgung, weil es keinen Sinn macht, zwei Wasserleiten von unterschiedlichen Anbietern in alle Häuser zu verlegen. (SBB oder PTT geht nicht mehr, Güterzüge, Paketpost etc. wird ja liberalisiert...)
- Der Einstieg auf S. 6 ist mir zu polemisch und undifferenziert. Nicht alle Manager verhalten sich so ? sie waren ja auch mal so einer, und es gibt durchaus Unternehmer, die ihren Kunden und Mitarbeitern nicht nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Wenn sie das schon in der Allgemeinheit sagen, müssten sie es genauer belegen. Statt ?die Manager der grossen Unternehmen? wäre ?Viele Manager grosser Unternehmen? eher am Platz. Bei den Ziehsöhnen und ?Töchter wäre es z.B. sinnvoll als Beispiel zu bringen, dass Daniel Vasella der Schwiegersohn des früheren Sandoz-Chefs ist und dass diese Beziehung sicher eine wichtige Rolle gespielt hat dass er seinen Posten bekam. Das zeigt seine 20 Mio. Salär in einem andern Licht.
- S. 7 ?Grosse Unternehmen verschwinden langfristig wieder von der Bildfläche.? Wie belegen Sie das in dieser Allgemeinheit? Warum gibt es dann Roche und Nestlé noch?
- Es reicht auch bei CS und Nestlé nicht allein, dass Rainer E. jemanden ins Herz schliesst.
Den Begriff ?Demokratie? kann man nicht so einfach und ungenau definieren, wenn das ganze Konzept von SORGIM darauf abgestützt werden soll. Als angehender Historiker schlage ich vor, hier ein Kapitel über die Entstehung der Demokratie und besonders der direkten Demokratie einzufügen. Hier müsste es auch darum gehen genauer aufzuzeigen, was sich Duttweiler gedacht hat, als er die Struktur der Eidgenossenschaft teilweise auf die Migros übertrug. Dazu gibt es so viel ich weiss bereits wissenschaftliche Untersuchungen. Es gibt auch bereits bücher darüber, wie die Migros besonders in den 50er und 60er Jahren mithalf, die Struktur der schweizerischen Gesellschaft zu verändern. Hier braucht es noch etwas Arbeit!