David Bosshart: «Die Spannungen nehmen zu»

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David Bosshart: «Die Spannungen nehmen zu»

Beitragvon Mail an SORGIM am Fr Jan 12, 2007 11:42 am

Handelszeitung vom 02.01.2007
Interview: Gret Heer, 4087 Zeichen

David Bosshart: «Die Spannungen nehmen zu»

Der Geschäftsführer des GDI ortet in der Schweiz ein immer grösseres Konfliktpotenzial zwischen dem, was auf den Finanzplätzen passiert, was in der realen Wirtschaft geschieht und was in der Bevölkerung abläuft.

David Bosshart: «Es braucht verwurzelte Bürger. Sonst gehen wir auf einen Weltbürgerkrieg zu.»

Welches sind die Trends 2007 in der Schweizer Wirtschaft?
David Bosshart: Die drei Achsen nachhaltiges Wachstum, Differenzierung, Innovation werden auch dieses Jahr bestimmend sein. Die Firmen sind dazu verurteilt zu wachsen. Viele Firmen – gerade mittelständische – müssen sich weiter differenzieren, weil viel mehr Konkurrenz kommt. Wir brauchen eine stärkere Innovationskultur als bisher, einerseits gegenüber der Konkurrenz aus Europa, aber auch aus Asien. Far East wird in den nächsten Jahren nicht nur billigpreisige Produkte herstellen, sondern rasch in die Hochpreissegmente mit höheren Margen aufsteigen.

Welche Wirtschaftszweige sind besonders gefordert?
Bosshart: Die treibende Kraft für das Wachstum wird kurzfristig der Finanzmarkt bleiben. Er hat bereits viel zur Globalisierung und zur Wertschöpfung beigetragen. Gleichzeitig hat der Finanzsektor aber auch viel Verunsicherung in der Bevölkerung geschaffen.

Inwiefern?
Bosshart: Es bleibt offen, ob ein sich rasch globalisierendes System, das immer mehr auf der Steigerung der Handelbarkeit von Verschuldung aufbaut, überlebensfähig ist, oder ob es einst wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Die Angst der Mittelschicht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes hat zugenommen, wir haben in den letzten Jahren wirtschaftlich, politisch und sozial die Mitte verloren. Diese ist in ihrem Denken geprägt von der Industrie, von konkreten Produkten und Prozessen und nicht von immer abstrakteren Finanztranksaktionen.

Was bedeutet das?
Bosshart: Politisch herausfordernd ist die Frage: Können wir eine immer grössere Risikobereitschaft von den Menschen verlangen oder sind wir nicht schon viel zu schnell vorwärts gegangen? Es wird ein immer grösseres Konfliktpotenzial entstehen zwischen dem, was auf den Finanzplätzen passiert, dem, was in der realen Wirtschaft geschieht, und dem, was in der Bevölkerung abläuft. Spannungen werden zunehmen.

Wie kann das Konfliktpotenzial entschärft werden?
Bosshart: Es wird nur dann gut gehen, wenn wir kontinuierlich ein gutes Wirtschaftswachstum haben werden. Wenn genug Geld da ist zum Verteilen, kann man alle Probleme zudecken. Sobald das Wirtschaftswachstum aber sinkt, werden die Konflikte explosionsartig auftauchen.

Worauf müssen Führungskräfte angesichts dieses Konfliktpotenzials vor allem achten?
Bosshart: Es ist wichtig, dass das Auseinanderdriften zwischen global tätigen Konzernen und solchen Unternehmen, die vor allem vorwiegend in der Schweiz tätig sind und deren Wertschöpfung vor allem innerhalb der Schweiz generiert wird, gebremst wird. Symptomatisch waren die letztjährigen Konflikte bei Economiesuisse, die Fronten Werkplatz und Agrarwirtschaft versus Finanzplatz.

Wird es im ähnlichen Stil weitergehen?
Bosshart: Diese Zerreissproben sind noch nicht ausgestanden. Ich beobachte, dass es bei vielen Topleuten global operierender Unternehmen wie schon Ende der 90er Jahre eine gefährliche Gleichgültigkeit gibt gegenüber dem Standort Schweiz. Anders bei lokal operierenden KMU, die häufig noch eigentümergetrieben sind und nicht einfach opportunistisch Wertschöpfungsteile verlagern können. Im Gegensatz zu ihnen scheinen die globalen Unternehmen nur noch getrieben zu sein von der Vorstellung, Zeitvorteile zu optimieren.

Weshalb werten Sie eine Verwurzelung in der Schweiz als positiv?
Bosshart: Weil es eine naive Illusion ist zu glauben, dass es in Zukunft nur freie Märkte und deren Regulierungskraft geben wird. Auch die Wirtschaft braucht eine Anbindung an einen politischen Souverän. Es braucht nicht nur Produzenten und Konsumenten, sondern es braucht auch verwurzelte Bürger. Sonst gehen wir auf einen Weltbürgerkrieg zu.

Weshalb?
Bosshart: Weil sich dann nur noch die Willkür des Stärkeren durchsetzt. Wer kann dann noch globale Unternehmen in die Verantwortung einbinden? Wollen Sie den korporatischen Staat, wie er sich zurzeit in Russland herausbildet? Wir werden bald einen unangenehmen Streit der Arten von Kapitalismus und der ordnungspolitischen Form erleben.
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David Bosshart in der Handelszeitung Nr. 1 07

Beitragvon bkoller am Fr Jan 12, 2007 12:13 pm

Es rumort heute Freitag Morgen mächtig in der Gerüchteküche, dass Philippe Gaydoul (Denner) seine Ladenkette an den Migros-Riesen verkauft.

[b]Was für ein krasser Gegensatz zum Interview in der HZ vom 03.01.07 des Geschäftsführers des GDI (Gottlieb Duttweiler Instituts.)


Ich zitiere hiermit den letzten Satz von Herrn D. Bosshart in der HZ: Weil sich dann nur noch die Willkür des Stärkeren durchsetzt. Wir werden bald einen unangenehmen Streit der Arten von Kapitalismus und der ordnungspolitischen Form erleben

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