von Pierre Rappazzo am Mi Mär 05, 2008 10:06 am
Aus dem Tages-Anzeiger vom 4.3.08
Für die meisten Marktbeobachter ist die Krönung der Rehabilitation, die Denner-Chef Philippe Gaydoul eingeleitet hatte, dennoch unverständlich. Berninghaus sei trotz allem ein gerichtlich verurteilter Delinquent. Fachlich sei die Wahl des internationalen Netzwerkers zwar nachvollziehbar. Doch diese Wahl, die Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler nie getroffen hätte, sei dennoch ein Zeichen der Schwäche, sagen Kritiker. Am Limmatplatz habe man generell «Rekrutierungsprobleme» - nicht zuletzt als Folge der Strukturen (siehe Kasten).
Für Philippe Hertig, Geschäftsführer von Egon Zehnder International Zürich, sind unternehmerische Freiheiten für Top-Manager im Detailhandel von grosser Bedeutung. «Es müssen rasche Entscheide möglich sein. Schliesslich hat man es mit dem Umfeld der fast moving consumer goods zu tun, der rasch drehenden Konsumgüter, die dies verlangen.» Mindestens so wichtig wie die Struktur ist für den Personalberater jedoch die gelebte Unternehmenskultur der raschen und eigenverantwortlichen Entscheidfindung.
Unmut nach externen Besetzungen
Intern sorgten die Entscheide nicht nur wegen der fachlichen beziehungsweise menschlichen Qualifikation der Kaderleute für Stirnrunzeln. Hinterfragt wird Elementareres: Nach Industriechef Walter Huber, der letztes Jahr von Emmi geholt worden war, hat die Migros innert kurzer Zeit drei Stellen im obersten Kader mit externen Managern besetzt. «Da hat es viel Kritik abgesetzt», sagt ein Insider.
Interne Nachfolgeregelungen bieten in jüngster Zeit allerdings ebenfalls Angriffsflächen. So hat mit Marc Schaefer bei der kriselnden Region Waadt ein Buchhalter das Zepter übernommen, der nie an der Front gestanden hat. «Wer eine Verkaufsregion leitet, muss auch Verkaufserfahrung haben», wird intern und extern kritisiert. Doch der Verwaltungsrat hatte gar keine andere Wahl, als den Vorschlag der Region gutzuheissen. Um ihn umzustossen, müsse ein Kandidat völlig untragbar sein, ist aus dem Gremium zu hören.
Zu reden gibt auch die Ernennung des 47-jährigen Hanspeter Meier zum neuen Marketingchef Frische - einem Schwachpunkt der Migros. Der Betriebsökonom HWV hat mit Erfolg SportXX aufgebaut und vor seiner Migros-Zeit für Knorr gearbeitet. Aber mit Jogurts, Gemüse, Früchten und Fleisch hat der Mann bisher nicht zu tun gehabt, so die Kritik. Dennoch traut ihm die Migros-Führung zu, das Problem mit der Frische in den Griff zu kriegen.